Wir sind im Dialog.
Das Geneon-Gespräch ist ein Format von geneonleadership
mit dem Schwerpunkt Führung in Familienunternehmen.
Wir diskutieren mit Führungspersönlichkeiten Ihre Erfahrungen
mit Familienunternehmen, Gesellschaftern und Beiräten, strategische
Entwicklungen und geben persönliche Einblicke.
Jens Rothstein
CFO des Familienunternehmens Cheplapharm
„Marge spitze, M&A nonstop – in 9 Jahren vom Mittelständler zum Milliarden-Player“
Jens Rothstein, CFO des Pharma-Unternehmens Cheplapharm spricht u.a. über rasantes Wachstum, eine für Familienunternehmen ungewöhnliche Finanzierung und weitere strategische Optionen. Tillmann Bettmer hat ihn Ende November am Rande der Structured Finance in Stuttgart getroffen.
Das Interview
Wir freuen uns immer hier sein zu dürfen, weil man auf ganz engem Raum alle Entscheider und alle Partner im Bereich Leveraged Finance trifft. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit an Roundtables teilzunehmen – da kommt es zu einem interessanten Erfahrungsaustausch und Weiterbildung. Wir haben hier auch schon Kontakte geknüpft, die seit vier Jahren Früchte tragen. Darüber hinaus sind wir von der Ratingagentur Fitch eingeladen, einen Vortrag zu halten. Dabei beschreiben wir unseren Weg vom regionalen mittelständischen Unternehmen in Familienhand hin zu den internationalen Kapitalmärkten mit der Unterstützung unserer Partner.
Die Kernkompetenz liegt in der Auswahl, dem Kauf und der Integration von verschreibungspflichtigen Markenprodukten, bei denen der Patentschutz ausgelaufen ist. Ziel ist es, dass wir dort Kostenvorteile gegenüber dem Verkäufer realisieren, insbesondere die Cost of Goods, also der Wareneinsatz, wird bei uns reduziert. Der Großteil unseres Portfolios besteht aus ethischen (verschreibungspflichtigen) Produkten und ein kleinerer Teil aus Markenprodukten im frei verkäuflichen OTC-Bereich.
Da wir weder Forschung noch Entwicklung betreiben und auch keine eigene Produktion besitzen, haben wir eine straffere Kostenstruktur gegenüber den großen, multinationalen Pharmaunternehmen. Grundsätzlich machen wir nur Asset Deals, das heißt wir kaufen keine ganzen Firmen, sondern nur immaterielle Wirtschaftsgüter. Dabei erwerben wir nicht nur Nischenprodukte, also Produkte die weltweit Alleinstellungsmerkmale im Wirkstoff aufweisen. Cheplapharm akquiriert ebenfalls sogenannte Legacy-Produkte. Das sind ältere Produkte, die zwar generische Konkurrenz haben, allerdings übernehmen wir in diesen Fällen nur Markenprodukte und immer nur Originatoren, das heißt die ersten Produkte, die in dieser Indikation auf dem Markt waren. Zusätzlich versuchen wir über die Verbesserung des Wareneinsatzes eine andere Kostenstruktur zu erzielen. Wenn wir beispielsweise ältere Produkte von Pharmaunternehmen übernehmen, sind die Produktionsstätten häufig ebenso alt wie die Produkte selbst, teilweise 30-40 Jahre. Wenn wir das Produkt dort herausnehmen und in eine moderne Produktionsstätte eines Lohnfertigers übergeben, der nichts anderes macht, als 24/7 diese Tabletten herzustellen, dann erreichen wir natürlich eine ganz andere Kostenbasis.
Diese Frage würde ich gerne zweiteilen. Die Kultur und die Entscheidungsprozesse haben sich eigentlich nicht wesentlich verändert. Natürlich müssen mit einem wachsenden Unternehmen die Abläufe auch angepasst werden, aber die Entscheidungsprozesse sind so schlank und schnell wie immer – das ist einer unserer wesentlichen USPs. Die Strukturen hingegen haben sich stark gewandelt, denn es sind viele Abteilungen dazu gekommen, die wir ursprünglich nicht hatten. Wir haben zum Beispiel die Buchhaltung im Haus, Controlling ist dazugekommen ebenso Investor Relations. Weil wir viel M&A machen, haben wir auch eine eigene Rechtsabteilung, die auf solche Transaktionen spezialisiert ist.
Beide Partner sollten Erfahrungen in solchen Transaktionen haben, sowohl die Verkäufer- als auch die Käuferseite. Weiterhin sind immer Flexibilität in vertraglichen Fragen und Solidität bei der Vertragserfüllung und Finanzierung notwendig. Wir haben seit Jahren eine konservative, stringente Investmentrichtlinie, die wir konsequent verfolgen, um Risiken zu minimieren. Am Ende ist aber ganz wichtig, sich zu vertrauen und ein klares Ziel vor Augen zu haben.
Um ehrlich zu sein, richtig „danebengegriffen“ haben wir in den letzten Jahren zum Glück nicht wirklich. Natürlich haben wir auch Produkte erworben, bei denen nicht alles so wie geplant gelaufen ist. Es gibt immer mal den Fall, dass die Kosteneinsparungen nicht so hoch sind wie gedacht oder eine Marktzulassung wird nicht so zügig übertragen, wie antizipiert. Aber durch unser solides Gesamtportfolio können wir solche Abweichungen immer wieder gut auffangen. Hier ist auch die gerade erwähnte Investmentrichtlinie sehr hilfreich.
Grundsätzlich versuchen wir alle Produkte profitabler zu machen, unabhängig davon wie wir sie kategorisieren, ob als „Niche Products“ oder als „Legacy Products“, also Cash-Cows. Aktuell haben wir ein Verhältnis von ca. zwei Drittel Cash-Cows/Legacy und ein Drittel Nischen-Produkte, bei denen wir weltweit im Wirkstoff eine Alleinstellung haben. Aber das hängt eben auch davon ab, was gerade angeboten wird. Das kann sich auch ändern – wir waren auch schon bei einem Verhältnis 50:50, das kann im nächsten Jahr auch 60:40 sein. Es kommt immer darauf an, was „Big Pharma“ gerade verkaufen will und was wir als kaufenswert erachten. Wichtig ist allerdings schon, dass die Nischen-Produkte beigemischt werden, weil diese im Umsatz und bei den Cash-Flows stabiler sind.
Die Familie Braun ist bei diesem Thema – anders als viele Familienunternehmer – offen für überschaubares Risiko. Es muss im Verhältnis zum Ertrag stehen. Wir haben in den letzten Jahren immer ca. 75 % fremdfinanziert und 25 % aus Eigenmitteln bereitgestellt. Wichtig war immer, dass unsere Verschuldung nie so hoch war, wie das beispielsweise Private Equity macht. Da muss es immer einen Abstand geben.
Zum Glück haben Sebastian Braun und ich dieselben ersten Karriereschritte gemacht. Wir sind beide gelernte Banker, haben beide BWL studiert und eine Zeit im Ausland verbracht. Dadurch wurde eine gewisse Basis für ein gemeinsames Verständnis vom Business und passenden Kapitalstrukturen geschaffen. In den letzten Jahren haben wir unser Geschäft schnell expandiert und die Fremdkapitalmärkte genutzt, um diesen Weg zu begleiten. In den kommenden Monaten planen wir, die Verschuldung durch Cash-Generierung und eine potenzielle Kapitalerhöhung weiter zu reduzieren.
Bisher nie, da unsere Planungen immer sehr konservativ waren und wir dadurch gewisse Puffer geschaffen haben. In den letzten Jahren haben wir immer unsere Ziele erreicht und konnten damit unsere Fremdkapital-Investoren von unserem Geschäftsmodell überzeugen. Wir waren in puncto Finanzierung auch nie aggressiv – getreu dem Motto „Leben und leben lassen“.
Aufgrund der vollen Divestment-Pipeline der großen Pharma-Konzerne benötigen wir zusätzliches Kapital, um möglichst viele interessante Investitionsmöglichkeiten wahrnehmen zu können. Daher erschien eine Eigenkapitalstärkung nur folgerichtig. Eine Entscheidung für einen IPO ist aber noch nicht gefallen.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Bewertungsfragen nicht kommentieren kann. Sicherlich würden durch einen Börsengang noch mehr mögliche Eigen- und Fremdkapital-Investoren auf uns aufmerksam.
Wir bekommen dahingehend monatlich Angebote. Aber die aktuellen Gesellschafter haben in der Firma Ihrer Eltern keine guten Erfahrungen mit Private Equity gesammelt und haben sich deswegen gegen diesen Weg entschieden. Sie sind Vollblut-Unternehmer, die gern selbst entscheiden und flexibel bleiben wollen.
Dafür haben wir noch nicht den richtigen Partner gefunden. Wir haben entsprechende Gespräche geführt, auch mit Staatsfonds, aber da hat bisher die Chemie noch nicht gestimmt. Wichtig wäre ein Investor, der langfristig orientiert ist und sich aus dem operativen Geschäft weitestgehend zurückhält. Die genannten Unternehmer haben es in der Gesundheitsbranche bereits zu Geld und Ansehen gebracht. Hier möchte die Familie Braun sicherlich aufschließen, aber eben aus eigener Kraft.
Die Entscheidungsfindung würde sich überhaupt nicht ändern. Wir sind durch unser Fremdkapital-Engagement ohnehin gewohnt, quartalsweise zu berichten. Wir machen auch einmal im Quartal einen sogenannten Investor-Call, d.h. meine Kollegen von Investor Relations und ich stehen unseren Investoren telefonisch Rede und Antwort, daran wird sich auch nichts ändern. Sollte der Börsengang kommen, muss man natürlich die entsprechenden Regularien des jeweiligen Marktes und des Aktiengesetzes beachten, aber das wäre dann nur ein weiteres Gesetz. Wir haben schon viele gesetzliche Anforderungen, da sehe ich nicht so viele Neuerungen.
Wie bereits gesagt, erwarten wir in den kommenden Jahren viele Akquisitionsmöglichkeiten, somit werden wir die Zahl der Investitionen sicher nicht reduzieren.
Wir haben in der Vergangenheit immer darauf geachtet, dass wir institutionelle Investoren haben, die unser Geschäft wirklich verstehen. Außerdem sind wir immer daran interessiert, mit Investoren zu sprechen, die langfristig orientiert sind und mit uns wachsen wollen.
Zu zukünftigen Prognosen kann ich mich nicht äußern. Grundsätzlich ist unser Geschäftsmodell ungebrochen, so wie wir es in den letzten neun Jahren umgesetzt haben. Wir möchten über ausgesuchte Asset-Deals weiter wachsen. In der Vergangenheit haben wir ein Umsatzwachstum von ca. 45 % pro Jahr erzielt. Ganz so schnell werden wir in Zukunft wohl nicht mehr wachsen, aber ein zweistelliges Wachstum könnte man durchaus unterstellen.
Das stimmt, ich decke in meiner Tätigkeit als CFO ein breites Spektrum ab. Dieses Aufgabenfeld würde sich durch einen Börsengang noch einmal erweitern und ich würde mich freuen, die Cheplapharm auf dem Schritt zum börsennotierten Unternehmen zu begleiten. Ich bin mir sicher, dass mir bei neuen Aufgaben nicht langweilig wird.
…Taschenrechner, Excel oder Kopfrechnen?
Kopfrechnen, wenn es schnell gehen muss und Excel für die komplizierten Sachen.
… bei diesem Thema werde ich knallhart und ungemütlich?
Wenn ich für Fehler verantwortlich gemacht werde, die mein Team oder ich nicht gemacht haben.
… was haben Sie in den letzten drei Monaten Neues gelernt?
Jede Menge. Zu viel, um hier alles aufzuzählen. Aber jeder Tag ist interessant und ich möchte keinen davon missen.
… enge Bekannte sagen über mich…?
Dass ich oft einen Sprachfehler habe – ich kann nicht „nein“ sagen.
… welche Frage sollten wir unserem nächsten Gesprächspartner stellen (den Sie bewusst noch nicht kennen)?
Was tun Sie als Unternehmer, um die 5. Corona-Welle in Deutschland zu vermeiden?
Herr Rothstein, herzlichen Dank für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.
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