Wir sind im Dialog.

Das Geneon-Gespräch ist ein Format von geneonleadership mit dem Schwerpunkt Führung in Familienunternehmen.

Wir diskutieren mit Führungspersönlichkeiten Ihre Erfahrungen mit Familienunternehmen, Gesellschaftern und Beiräten, strategische Entwicklungen und geben persönliche Einblicke.

Dirk Schallock

CEO des Familienunternehmens E.G.O.

„Externer CEO – Bruder im Geiste?“

Dirk Schallock, CEO des Hightech Unternehmens E.G.O.-Gruppe, spricht über Erfolgsfaktoren eines familienfremden CEO, die Rolle des Beirats und wie viel Digitalisierung man künftig in der Küche vorfinden wird – Tillmann Bettmer hat ihn Mitte Juli in Oberderdingen getroffen.

Das Interview

Ich glaube, es ist einfach ein anderer Umgang miteinander. Ich habe jetzt nie in einem Dax-Konzern, Start-Up oder Private Equity gearbeitet – das kenne ich nur aus Erzählungen von guten Bekannten. In einem Familienunternehmen ist das Miteinander menschlicher und auch emotionaler. Wir haben mit Sicherheit den deutlich langfristigeren Blick, weil unser Tun/Handeln für weitere Generationen zählt. Ich habe in allen Konstellationen gearbeitet: als direkter Nachfolger mit Gesellschaftern zusammen oder eben auch in einer Situation, in der die Gesellschafter über Beiräte präsent waren. Aber die Faszination für mich, war einfach, dass man wirklich langfristige Konzepte aufbauen kann. Man spürt auch den Support, da ist nicht einfach nur eine Kapitalmarkt-Seite, die von außen drückt. Sondern man kann auch mal in Bereiche gehen, wo man das Gespür hat, da könnte sich etwas entwickeln und solche Themen dann auch länger ausprobieren kann. Wir erleben das gerade bei der EGO „Dickschicht“. Die Reise mit/in dieser Technologie begann vor fast einem Jahrzehnt und entwickelt sich im Moment mit einer unglaublichen Dynamik. Wenn meine Vorgänger das rein betriebswirtschaftlich gesehen hätten, dann würden wir heute nicht mehr von EGO Dickschicht sprechen und hätten das Projekt wahrscheinlich nach fünf Jahren gestoppt. Ich bin der Meinung, dass dieser Bereich einer unserer größten Geschäftsbereiche werden kann, weil wir eben länger ausprobieren konnten. Und auch den persönlichen Stolz, den die Gesellschafter haben, wenn die Arbeit gut gemacht wurde, spürt man direkt.

Böse Frage, die würde ich dem nächsten Interview-Kandidaten auch gerne stellen (lacht). Es gibt nie nur positive Seiten. In einem Nicht-Familienunternehmen ist die reine Konzentration auf das Zahlenwerk und die Ergebnisse sehr objektiv – das ist etwas anderes. Wenn sie da funktionieren, werden auch die Konsequenzen aus dem Funktionieren nicht diskutiert. In einem Familienunternehmen ist nicht alles objektiviert, da gibt es immer Gefühle, Emotionen, subjektive Eindrücke und das kann natürlich auch mal in eine andere Richtung laufen. Und wenn Sie in einer emotionalen Falle sind wird es deutlich schwieriger, als wenn Sie sich in einer objektiven Situation befinden. Die Falle, etwas in einem subjektiven Umfeld falsch zu machen, ist in einem Familienunternehmen deutlich größer.

Als Mittelstands-CEO sind Sie einfach noch am Puls der Zeit. Sie kennen noch viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: wir haben zwar 23 Standorte in denen rund 6.500 Menschen beschäftigt sind, aber ich kenne alle unsere Standorte und eine Vielzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich kenne das Management vor Ort und die Ebenen darunter. Wenn wir unterwegs sind, gehen wir auch mit dem lokalen Management abends immer essen. Dadurch lernt man sich auch in einem privaten Rahmen kennen und hat eine höhere Authentizität. Ich habe sehr viele Freunde, die in großen Dax-Konzernen arbeiten: da ist die Anonymität derer „da oben“ viel größer. Und sie haben ein viel politischeres Umfeld durch die Politik selbst, durch die Wirtschaftsverbände und die Aktionärsstrukturen. Und die Mitarbeiter sehen uns noch persönlich, wenn wir durch die Standorte gehen, wenn wir Aufsichtsratssitzungen haben an den verschiedenen Standorten.

Ich kann mir vorstellen, dass man fünf Jahre die Strategie weiterführt
und erst die über-nächste Generation sich dann davon löst.

Das hängt unglaublich stark von der Mentalität der handelnden Personen ab. Wenn ein Gesellschafter ein Unternehmen aufgebaut hat, dann ist das sein Baby. Und wenn dann ein Nachfolger kommt, muss die Chemie stimmen und letztendlich muss man sich eine Zeit lang einarbeiten und im Geiste des vorherigen geschäftsführenden Gesellschafters arbeiten. Sie können nicht anfangen und relativ kurzfristig alle Erfolge in Frage stellen. Das würde nirgendwo gut gehen. Und es hängt natürlich auch unglaublich an dem Vorgänger: zieht er sich zurück, wie zieht er sich zurück, möchte er sich eigentlich überhaupt zurückziehen und wie spielt er diese Rolle? Wie kann er auch persönlich damit umgehen? Ich glaube persönlich, dass es wirklich schwierig ist, wenn man etwas aufgebaut und eine Richtung vorgegeben hat, zu sagen, ich überlasse jetzt jemand anderen die Führung – der ja auch noch familienfremd ist.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist auch zu verstehen, wie die Risikoeinschätzung zu Projekten und Themen des Vorgängers war. Die Ergebnisse vieler Handlungen sieht man erst nach einer geraumen Zeit. Man muss wahnsinnig viel Zeit einbringen und es ist schwierig, bis man einen wirklich einen sauberen Match hat. Wie prüft man, ob man „Bruder im Geiste“ ist? Das ist sehr schwierig.

Ich kann mir vorstellen, dass die “erste Übergabe-Generation“, an das Bestehende anknüpft und entsprechend die Strategie weiterführt und vielleicht erst die übernächste Generation sich dann davon lösen kann. Es ist ein sehr schwieriges und herausforderndes Terrain, nehmen Sie als Beispiel die eigene Familie! Kinder haben andere Gedanken, Ideen oder Prioritäten als Väter oder Mütter. Deshalb muss man versuchen, so stark es geht hinter die Kulissen zu sehen.

Man muss sich überlegen, ob einem die Technologien, die Produkte generell, der Markt und das Umfeld des Unternehmens gefallen und man sich damit identifizieren kann. Wenn man das für sich mit ja beantworten kann, hat man gute Voraussetzungen – aber es bleibt immer ein gewisses Rest-Risiko. Wenn sie in einen völlig anderen Markt wechseln, Sie sich zunächst einarbeiten müssen und der Vorgänger weiß logischerweise alles – dann sind sie erstmal 1-2 Jahre in einer schwierigen Position. Und wenn der Wille des Vorgängers nicht da ist, dem Nachfolger all dieses Wissen mitzugeben, sondern zu sagen „ich weiß es und du nicht“, dann sind Schwierigkeiten vorprogrammiert. Man sollte sich also sehr intensiv Gedanken machen, ob man sich in dem Umfeld auskennt, sodass man auf Augenhöhe mit dem Vorgänger parlieren kann. Aber ich würde keinem raten, sich in ein völlig neues Gebiet zu begeben.

Gehen sie in einen völlig anderen Markt, Sie wissen gar nichts und
der Vorgänger weiß logischerweise alles – dann sind sie erstmal 1-2 Jahre
in einer schwierigen Position.

Ich finde einen professionellen Beirat mehr als wichtig und habe sehr gute Erfahrungen mit Beiräten gemacht – gerade wenn diese mit Menschen besetzt sind, die sich mit so einer Situation auskennen. Gerade wenn Mitglieder des Beirats auch selbst geschäftsführender Gesellschafter sind, können diese beiden Seiten helfen, miteinander klar zu kommen, um eine gemeinsame Richtung einzuschlagen und können die Situation außerdem intensiv begleiten. Ein professioneller Beirat ist für mich unglaublich wertvoll – für jedes Unternehmen. Denn dieses Organ wirft einen kritischen Blick auf die Dinge und Handlungen und ist außerdem ein wertvoller Sparrings-Partner für den CEO. Der Beirat hat für mich außerdem die wichtige Aufgabe, unterschiedliche Meinungen zusammenzubringen und diesen Prozess zu moderieren. Je nachdem wie komplex so eine Situation ist oder wird, könnte man fast eine Person Vollzeit abstellen, um alles hinter den Kulissen zu regeln und den sauberen Ablauf sicherzustellen. Der Beirat ist eine wichtige neutrale Stelle.

Bei entsprechender Besetzung muss ein Beirat, einen solchen Prozess
des Übergangs als Moderator aktiv und neutral begleiten.

Der Spruch kommt ursprünglich, glaube ich, von Karla Kriwet – wir haben das nur aufgenommen, weil er ganz gut beschreibt, was passiert ist. Die Menschen konzentrieren sich seit Beginn der Corona-Krise auf das zuhause.

Im Januar 2020 saßen wir noch mit unseren chinesischen Kollegen zusammen und wir haben erstmals über Corona gesprochen. Wir haben dann Teile der Produktion verlagert, um den E.G.O. Produktionsstandort in Taicang zu entlasten. Es hat dann keine acht Wochen gedauert bis Corona in Europa angekommen ist. In den Monaten April/Mai 2020 folgte ein umsatztechnischer Absturz. In dieser Situation kann man im Grunde genommen nur mit einer Vollbremsung reagieren und alles runterfahren. Allerdings haben wir im Monat Juni bereits wieder entsprechend des Budgets performt, denn die Bedarfe nach Haushaltsgeräten sind immer weiter gestiegen. Über das Jahr hinweg konnten wir den extremen Einbruch kompensieren und haben in 2020 einen Umsatz in Höhe von 656 Mio. Euro erzielt. Auch in 2021 zeichnet sich ein Umsatz ab, der wahrscheinlich über Budget liegen wird. Das liegt aber nicht nur am Cocooning oder an „die Küche ist das neue Mallorca“! Wir alle in der E.G.O.-Gruppe haben in Summe einfach einen guten Job gemacht! Wir haben zusammengehalten, aufeinander aufgepasst und sind immer auf Sicht gefahren – mit dem Blick in die Zukunft.

In Summe haben wir bei E.G.O. einfach einen guten Job gemacht.

Hierzu lassen wir momentan eine sehr große Studie durchführen und wir diskutieren das auch sehr lebhaft intern. Es dreht sich um die Frage: wie viel Digitalisierung findet denn wirklich in der Küche statt?
Hierzu gibt es zwei Ausprägungen: Die eine Seite vertritt die Meinung, dass in die Küche ein gutes Glas Wein gehört, man darin gemeinsamen kochen sollte und ansonsten nichts Digitales reingehört. Die andere Seite ist der Meinung, dass man zukünftig in der Küche auch beispielweise Körperfunktionen überwachen sollte, um dann das Artificial Food auf sich und die Gesundheit anzupassen. Oder das „Guided Cooking“, also die Verknüpfung zwischen den verschiedenen Geräten. Es gibt es eine sehr breite Streuung. Sicher ist aber, dass die Küche nicht „dumm“ bleiben wird. Wir von der E.G.O.-Gruppe glauben, dass die Vernetzung und auch die Unterstützung beim Kochen, also eine gewisse „Geling-Garantie“, künftig stattfinden werden. Ob wir irgendwann Mal vorgeschrieben bekommen, was wir essen sollen, das mit der Drohne direkt in den Kühlschrank geliefert wird, der selbstverständlich automatisch erkennt, wann Lebensmittel ablaufen – weiß ich nicht. Ich glaube aber, dass das Kochen und die zugehörigen Tätigkeiten schöne und kreative Prozesse sind, die viele selbst durchführen möchten. Aber es wird Menschen geben, die das so tun wollen und die sich dann selbst optimieren. Dafür werden wir Lösungen anbieten. Wir werden immer der Enabler sein, um unseren Kunden solche digitalen Prozesse zu ermöglichen. Wir werden nicht selbst in Rezeptorganisation oder ähnliches gehen, sondern wir haben das System Know-how. Wie kocht man, wie backt man, wie verknüpfe ich diese Themen miteinander. Dieses Know-how haben wir auch bei Waschmaschinen oder Trocknern. Daten daraus können wir den Hausgeräteherstellern zur Verfügung stellen, die mit diesen Informationen arbeiten können.

Das geht technisch schon alles.

Die Küche ist ein kommunikativer Ort – man schnipselt gemeinsam und
ob es hinterher gelungen ist – sei’s drum. Aber auch eine gewisse
„Geling-Garantie“ beim Kochen wird kommen.

Das sind die Erkenntnisse, die wir über unsere Studie erhalten wollen. Wie viel Digitalisierung will die Gesellschaft haben? Wenn Sie beispielsweise mit meiner Frau zu digitalen Möglichkeiten sprechen, sagt sie „ich benötige das nicht, denn ich kann kochen“. Spreche ich mit meinen Töchtern, sagen die „wir können nicht kochen, wir gehen essen“. Gibt es die Menschen, die sagen „ich kann nicht kochen und mache das in einer digitalen Küche“? Man wird sehen. Wir denken, dass es sich in den nächsten drei bis vier Jahren abzeichnen wird, wohin die Reise geht.

Wie viel Digitalisierung in der Küche will eine Gesellschaft – die nächsten drei bis vier Jahre sind hierfür sehr entscheidend.

… auf diese Eigenschaft achte ich bei Bewerbern immer?

Mir ist das Wichtigste zu spüren, dass der Bewerber authentisch und ehrlich ist.

… so begeistere ich neue und aktuelle Führungskräfte, für E.G.O. zu arbeiten?

Indem ich ihnen ehrlich sage, wie gut wir sind. Das ist eines der besten Unternehmen, für die ich in meinem ganzen Leben gearbeitet habe! Das stimmt und das glauben sie mir auch (lacht). Die Möglichkeiten, die wir hier haben, technologisch, global und markttechnisch – so etwas gibt es ganz selten. Bei uns ist so viel Dynamik im Markt, wir haben global und technologisch noch unglaublich viel Chancen, das macht einfach nur Spaß – jeden Tag!

… diese Eigenschaft bei meinem Verhandlungspartner ist für mich die größte Herausforderung?

Wenn sich mein Gegenüber überhaupt nicht öffnet bzw. ich nicht erkennen kann, was sein wirkliches Ziel ist. Einfach eine komplette Verschlossenheit. Ich bin eher der Mensch der direkten Diskussion, was mich meistens auch schneller zum Ziel führt.

… Sie spielen Tennis: eher Serve & Volley und gehen auf den Punkt oder sind Sie die Ballwand und manchen den Gegner psychologisch mürbe…?

Ich bin keine Ballwand. Erstens spiel ich nicht gut Tennis, das macht meine Frau. Aber ich bin schon der, der nach vorne geht und direkt auf den Punkt geht.

… welche Frage sollten wir unserem nächsten Gesprächspartner stellen (den Sie bewusst noch nicht kennen, kleine Hilfestellung: es ist jemand aus der Politik)?

Was muss die Politik tun, damit die Demokratie in den nächsten 20 Jahren wirklich stabil bleibt und nicht an so vielen Ecken Schwierigkeiten hat, sich zu verkaufen? Wie will die Politik die Menschen wieder erreichen?

Herr Schallock, herzlichen Dank für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.

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geneonleadership –
wir denken in Generationen.

2023-01-27T10:38:24+01:00
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