Wir sind im Dialog.
Das Geneon-Gespräch ist ein Format von geneonleadership mit dem Schwerpunkt Führung in Familienunternehmen.
Wir diskutieren mit Führungspersönlichkeiten Ihre Erfahrungen mit Familienunternehmen, Gesellschaftern und Beiräten, strategische Entwicklungen und geben persönliche Einblicke.
Geneon-Gespräch
Harald Biederbick – CEO der RKW-Gruppe
7 Jahre CEO und CFO parallel – erfolgreicher Weg, aber nicht langfristig zu empfehlen.
Harald Biederbick, CEO des Folienherstellers RKW Gruppe, spricht über den entscheidenden Faktor der Neuordnung seines Gesellschafterkreises, die Erfahrung in der Doppelrolle als langjähriger CEO und CFO, die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Kunststoffindustrie sowie seinen persönlichen Nutzen als Beirat – Tillmann Bettmer hat ihn Ende Mai in Wiesloch getroffen.
Das Interview
RKW ist ein Unternehmen in einer Größenordnung, die international relevant ist mit vielen Werken in Europa, Asien und Amerika, aber gleichzeitig in einer Größenordnung, wo man sich kennt. Egal an welchem Standort ich bin, die Leadership Teams und die zweite Ebene kenne ich seit Jahren. Und diese Kombination aus Größe/Internationalität gepaart mit dem persönlichen Faktor fasziniert mich.
Sicherlich war die Umorganisation der Gesellschafterverhältnisse ein schwieriges Thema vor zwei Jahren. Da gab es Spannungen im Eigentümerkreis, die dann letztendlich gut gelöst worden sind. Aber ich wusste natürlich überhaupt nicht, wo die Reise hingeht: übernimmt ein Teil der Familie das komplette Unternehmen, gehen wir zu einem Finanzinvestor – in diesem Spektrum war alles möglich.
Viele Wettbewerber sind börsennotiert oder in Händen von Finanzinvestoren – unsere Kunden schätzen die langfristige Orientierung von RKW.
Wir betonen das Thema Langfristigkeit, langfristige Orientierung. Wir haben viele Führungskräfte, die lange im Unternehmen sind, die der Firma sehr verbunden sind. Auch viele Kunden schätzen das sehr. In unserer Branche gibt es ja viele Unternehmen, die börsennotiert oder in der Hand von Finanzinvestoren sind. Wir sind ja nicht familiengeführt, sondern in Familienbesitz, insofern sind wir nicht das typische Familienunternehmen, bei dem die Familie noch Teil der Geschäftsführung ist. Unsere Eigentümer fühlen sich nicht so wie die typischen Familienunternehmer, die auch persönlich sehr stark in Erscheinung treten wollen, sondern Sie fühlen sich wie langfristig orientierte Investoren. Damit sicherlich etwas unterschiedlich zu dem ein oder anderen Familienunternehmer, der am Hauptsitz sehr präsent ist – das ist bei uns ein bisschen anders.
Damals war dieser Teil von Mahle noch Behr, aber auch das war sehr viel größer und internationaler als RKW. Die Stärke vor allem im Kontrast zu Reckitt Benckiser, die ja schon börsennotiert waren, ist der persönliche Faktor – man kennt sich noch. Ich will nicht behaupten, dass jede Entscheidung bei RKW wahnsinnig schnell geht, aber wenn es mal schnell gehen muss, ist das möglich, weil nicht so viele Gremien befragt werden müssen.
Der Kunststoff bringt Eigenschaften, die mit anderen Werkstoffen nicht zu erzielen sind. Daher sehe ich in vielen Anwendungen kein Nachhaltigkeitsrisiko. Gleichzeitig ist es natürlich die Herausforderung der Industrie und zwar nicht nur der Verarbeiter wie RKW, sondern der gesamten Wertschöpfungskette vom Kunststofferzeuger über den Verarbeiter bis hin zu den Markenartiklern eine nachhaltige Perspektive für Kunststoff zu schaffen – dieser Aufgabe stellen wir uns gerne. Bei der Landwirtschaftsfolie gibt es keine große Alternative zur Kunststofffolie, weil es hier vor allem Sauerstoff-Barrieren braucht und das kann kein anderer Werkstoff liefern. Gleichzeitig setzen wir bei Landwirtschaftsfolien sehr viel recycelten Kunststoff ein – im Grunde ist diese Folie schon nachhaltig. Wir waren 2014 einer der Gründer eines Sammelsystems für landwirtschaftliche Kunststoff-Folien – „ERDE“. Mittlerweile sind 85% der Erzeuger in Deutschland Mitglied des Verbunds. Das ist sehr erfolgreich und damit haben wir für die gesamte Wertschöpfungskette der Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag geleistet. Bei den Hygienefolien ist es ein bisschen schwieriger, weil beispielsweise das Endprodukt – die Babywindel – aus vielen Komponenten besteht. Das lässt sich nicht so einfach recyclen. Hier ist mehr die Herausforderung, mit immer geringerem Materialeinsatz zu arbeiten, was auch einen wichtigen Beitrag darstellt. Wir verarbeiten z.B. viel Calciumcarbonat (im Prinzip Kreide) in unseren Folien. Hier liefern wir durch die Auswahl der Materialien die Nachhaltigkeitsperspektive.
Es vergeht fast kein Kundengespräch, in dem das Thema Nachhaltigkeit keine Rolle spielt – ganz klar. Natürlich kommt es immer darauf an, die richtigen Eigenschaften zu erzeugen. Bei einer Lebensmittelfolienverpackung kommt es wiederum auf die Sauerstoff-Barriere an – Stichwort Verderblichkeit der Ware oder Flüssigkeits-Barrieren. Die Grundeigenschaften, nach denen so ein Produkt überhaupt funktioniert sind nach wie vor sehr wichtig. Auch Preise spielen natürlich eine wichtige Rolle.
Wir haben es geschafft, die Spannungen nicht öffentlich auszutragen.
Ganz reibungslos läuft so etwas nie, das wäre naiv zu glauben. Natürlich spielen harte Fakten wie Bewertung der Unternehmen eine Rolle, aber auch Emotionen. Auch eine Unternehmerfamilie ist eben „nur“ eine Familie. Insofern ganz reibungslos geht’s nie. Ich glaube im Vergleich zu anderen Familien, über die man in Presse und Fernsehen hört, ist es gelungen, die Öffentlichkeit aus diesen Spannungen und Auseinandersetzungen herauszuhalten. Auch im Internet findet man nicht viel darüber. Es haben alle Beteiligten mitgewirkt, sodass es am Ende gelungen ist, im Sinne beider Unternehmensgruppen eine gute Lösung zu finden. Dafür bin ich den Familien sehr dankbar. Ich bin auch weiterhin mit Michael Kundel, CEO der Renolit SE, (Hersteller von Kunststofffolien, Umsatz: ca. 1 Mrd. EUR, Sitz: Worms) im regelmäßigen Kontakt und wir haben hier für beide Unternehmen sehr gute Perspektiven geschaffen.
Die Gedanken dahinter finde ich spannend. Letztendlich ist das ja ein Stakeholder-Ansatz. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob es dafür extra eine neue Gesellschaftsform braucht. Ich persönlich glaube mehr daran, dass die Menschen aus innerem Antrieb und aus Verantwortung für die Gesellschaft den Unterschied machen. Ob das ein Einzelkaufmann oder ein Stiftungsunternehmen ist, ist zweitrangig. Ich glaube Persönlichkeiten wie Robert Bosch brauchten dafür keine Rechtsform, die haben das aus Überzeugung getan und insofern glaube ich, die richtigen Menschen zu finden, das ist entscheidender, als eine neue Rechtsform.
Persönlichkeiten wie Robert Bosch brauchten keine extra Rechtsform – die Menschen, die aus innerem Antrieb handeln, sind der entscheidende Faktor.
Ich würde da zwei Dimensionen sehen: einmal ist thimm sehr stark in Osteuropa tätig (anders als RKW) und führend im Digitaldruck für Wellpappe. Da bekomme ich starke Einblicke in diese Märkte und lerne viel, ohne dass es zu Wettbewerbskonflikten mit RKW kommt. Aber es gibt noch eine weitere Dimension: ich finde es sehr hilfreich auf der anderen Seite des Tischs zu sitzen und es ist für meine Vorstandstätigkeit gut, besser verstehen zu können wie ein Beirat auf die Themen schaut. Es entsteht mehr Verständnis für die andere Seite und dann kommt man zu produktiveren Diskussionen.
Es ist die Chance, in wichtigen Feldern unabhängige Expertise von außen zu bekommen – familienunabhängig. Und gleichzeitig ist es auch ein Challengen der operativen Geschäftsführer. Sei es Industrie- oder Finanzexpertise oder Digital- oder Sustainability- Know how. Man kann sich diese Kompetenzen natürlich durch Berater einkaufen, das passiert dann aber immer sehr punktuell und zu relativ hohen Kosten. Dagegen steht ein Beirat mit externer Perspektive eher für eine langfristige Begleitung, was eine wertvolle Ergänzung sein kann. Und dann ist es auch wichtig, wie sich das Gremium zusammensetzt. Sollte es sich im Wesentlichen aus den Bekannten aus dem Golfclub rekrutieren, dann ist das weniger sinnvoll. Wenn es Anforderungsprofile gibt und nach Bedürfnissen des Unternehmens besetzt wird, dann kann es einen echten Mehrwert liefern.
Durch einen Beirat unabhängige Expertise von außen zu bekommen ist eine große Chance – es sollten hierfür aber auch eindeutige Anforderungsprofile existieren.
Relevante Frage – ich hatte ja vorher die CFO-Rolle und man wollte einen Dreier-Vorstand, was der Unternehmensgröße auch angemessen ist und dann habe ich meine funktionale Rolle als CFO beibehalten. Ganz klar im Nachhinein: das hätten wir früher trennen sollen. Das kann mal sinnvoll sein, z.B.: in einer Restrukturierung, wo die CEO-Aufgabe dann auch sehr Finance-lastig ist. Aber aus meiner Sicht sollte das eher für Übergangsperioden der Fall sein. Im Nachhinein würde ich die Funktionen wesentlich früher trennen, weil das Zusammenspielen der Rollen auch wichtig ist: wenn man als CEO derjenige ist, der das große Bild nach vorne malen soll, aber auch der oberste Erbsenzähler ist (und das meine ich jetzt nicht negativ, ich habe die CFO-Rolle immer gerne gemacht), dann ist das sehr schwierig über einen längeren Zeitraum in einer Person zu vereinen.
In M&A‑Situationen (RKW hat in den vergangenen Jahren einige Unternehmensteile veräußert und ist stark durch Zukäufe gewachsen) und Restrukturierungen gibt es sicherlich Vorteile durch weniger Abstimmungsbedarf. Aber ich würde es nicht langfristig empfehlen.
Im Nachhinein hätten wir die Doppelrolle von CEO und CFO schneller trennen sollen.
… dieses gesellschaftliche Problem muss gelöst werden?
Wenn ich nur eines nennen darf, dann ist es für mich der gesellschaftliche Zusammenhalt. Wir sehen aktuell das Ausmaß der Spaltung in USA und teilweise in UK. In Deutschland ist es noch nicht so weit. Wie können wir dieses Auseinanderdriften, hier sind die Vermögenden und hier die Ärmeren, oder die Gebildeten und die Bildungsfernen, stoppen. Das ist uns in Deutschland lange sehr gut gelungen. Ich glaube, wir sollten uns größte Mühe geben, das beizubehalten.
… diesen Unternehmer würde ich gerne kennenlernen und das würde ich fragen?
Da habe ich lange drüber nachgedacht. Anna-Maria Braun vom Pharma-Unternehmen B. Braun Melsungen. Sie ist ja schon in der 6. Generation: warum Sie die Unternehmensleitung übernommen hat, würde mich interessieren. Sie war ja auch lange für das Asien-Geschäft zuständig, wie Sie auf Asien schaut und wie ein Familienunternehmen in einem so fernen Kontinent so erfolgreich sein kann. Auch ihr Verhältnis zum Vater, Ludwig Georg Braun, wäre sehr spannend zu erfahren.
… wenn Sie bei befreundeten Unternehmen zu Besuch sind: worauf achten Sie immer?
Wie mit Mitarbeitern umgegangen wird – bis hin zur Rezeption. Das ist ein wichtiges Zeichen, was dort für ein Betriebsklima herrscht. Bei Produktionsunternehmen schaue ich immer auf das Thema Arbeitssicherheit. Diese Grunddisziplin zeigt auch wieder, wie geht man mit den Menschen um, aber auch: welche Qualität hat ein Fertigungsunternehmen. Wenn man die Arbeitssicherheit nicht im Griff hat, dann ist das Unternehmen auch sonst nicht gut gemanagt.
… meine engsten Vertrauten sagen über mich…?
Ich habe immer Ziele und ein Big Picture und verfolge diese konsequent.
… welche Frage sollten wir unserem nächsten Gesprächspartner stellen (den Sie bewusst noch nicht kennen)?
Wir sprechen ja häufig über die Vorteile von Familienunternehmen, aber ich würde fragen: wo haben Sie denn einmal einen großen Nachteil eines Familienunternehmen erlebt?
Herr Biederbick, herzlichen Dank für Ihre Zeit
und das interessante Gespräch.
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